History_Tales_Gemäldegalerie

Gemäldegalerie

Kunstsammlungen der Akademie der bildenden Künste Wien

Presseführung: Dienstag, 26. September 2023 | 11 Uhr

Eröffnung: Dienstag, 26. September 2023 | 19 Uhr

Kuratorin: Sabine Folie

Ausstellung: 27. September 2023 – 26. Mai 2024

Öffnungszeiten: Täglich außer Montag, 10–18 

Gemäldegalerie, Schillerplatz 3, 1010 Wien

https://www.kunstsammlungenakademie.at/de/ausstellungen/vorschau/history-tales-fakt-und-fiktion-im-historienbild/

Johann Peter Krafft, David mit dem Haupt Goliaths, 1852
© Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien

Kunstsammlungen History Tales. Fakt und Fiktion im Historienbild der Darstellung von Geschichte und deren Erzählungen in Bezug auf Identität und Nation nachgegangen. Wie stellen sich Aufstieg und Fall von Zivilisationen in der Geschichte dar, wie wird die Hybris des Menschen in den Historienbildern seit dem 17. Jahrhundert allegorisiert? Und welche medialen
Transformationen durchlaufen die Darstellungen von Mythen, Held_innen / Herrscher_innen und
einschneidenden historischen Ereignissen seit dem 19. Jahrhundert bis heute mit der Erfindung von
Fotografie und Film?

Die Ausstellung untersucht das Historienbild mit Blick auf die historischen Sammlungen der Akademie – Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett, Glyptothek – sowie auf prominente Leihgaben aus Museen einerseits und auf Werke zeitgenössischer Künstler_innen andererseits. Dabei wird das Vermögen dieser Bildgattung und ihrer Abwandlungen im massenmedialen Zeitalter, zwischen Fakt und Fiktion zu changieren und Historizität selbst zum Bildgegenstand zu machen, aus heutiger Perspektive beleuchtet.

Eleanor Antin, Constructing Helen from ”Helen´s Odyssey”, 2007 Courtesy Richard Saltoun Gallery, London and Rome

Das Historienbild am Übergang zur Moderne
Das Historienbild hat seit seiner Ausrufung zur ranghöchsten Bildgattung in der Renaissance immer wieder Konjunktur. Besonders die französische Akademie hat unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV den besonderen Wert der über das Historienbild übermittelten Tugendlehre am Beispiel großer Ereignisse, Held_innen und Herrscher_innen, aber auch die Propagandamaschine Historienbild kunsttheoretisch untermauert. Bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts lief die Gattung zu ihrer Hochform auf, ab dann wichen ihre besonderen Vorzüge nach und nach dem bürgerlichen Geschmack und der Schnelllebigkeit der populären Illustration, der Pressegrafik und dem neuen Medium der Fotografie.

Industrialisierung, soziale Unruhen, gesellschaftliche Verwerfungen sowie die Folgen der Französischen Revolution auf das politische Gefüge vor allem Europas und das Selbstverständnis eines neuen Bürgertums sowie die Verarmung großer Teile der Bevölkerung waren Katalysatoren eines wechselvollen Transformationsprozesses. Der Geschmack dieses Bürgertums bildete sich dabei eher in den Salons als Plattform bourgeoiser Selbstrepräsentation ab, als an den Akademien und der dort vermittelten, moralisierend aufgefassten Historienmalerei. Das Interesse an konkreten historischen Ereignissen wich sukzessive jenem an der Geschichte als geschichtsphilosophischem Modell. Ihre zunehmende Zuwendung zur Historizität selbst ist das besondere Verdienst der Historienmalerei durch das 19. Jahrhundert hindurch – auf dem steinigen Weg in eine nunmehr durch die Enthauptung des Königs „kopflos“ gewordene Moderne. Den komplexen Gründen für diesen Wandel will die Ausstellung History Tales. Fakt und Fiktion im Historienbild in einem skizzenhaften Parcours nachspüren.

Peter Paul Rubens, Boreas entführt Oreithya, um 1615 © Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien

Ein Parcours durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart History Tales nimmt den gegenwärtigen Prozess einer erneuten Standortbestimmung auf, wenn allerorts von „Zeitenwende“ die Rede ist und neue Nationalismen und Kriege ein europäisches und internationales politisches Gefüge zu zerreißen drohen. So werden hier altbekannte Tropen wie „Das Goldene Zeitalter“ oder die „Eiserne Zeit“ aufgerufen, also Zeiten politischer und gesellschaftlicher Prosperität und eines Gleichgewichts, denen Zeiten des Verfalls, des Untergangs und der Naturkatastrophen folgen.

Die Idee des Aufstiegs und Falls von Zivilisationen bildet nun auch den Ausgangspunkt der neuen
Ausstellung in der Gemäldegalerie. Daran anschließend führt sie über mythologische Darstellungen von Frauen, die der nation-building dienstbar gemacht werden, hin zu Erzählungen von Held_innen und Herrscher_innen, denen Anti-Held_innen und Parodien sowie harsche Gesellschaftskritik im erst jungen Massenmedium Zeitung gegenüberstehen. Nicht zuletzt wird Augenmerk auf die Französische Revolution samt ihren Folgen gelegt sowie auf die Wiener Akademie mit ihren Exponenten Füger und Nachfolge, die das Historienbild heroischer Prägung im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert nochmals aufleben ließen.

Tiziano Vecellio, genannt Tizian, Tarquinius und Lucretia, um 1572-1576 © Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien

Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche (Pompeji) und deren Rezeption am Ende des 18. Jahrhunderts sind von der „Berichterstattung“ durch Grand Tour-Reisende nicht ausgeschlossen. So werden die Nachwirkungen der Entdeckung Pompejis 1748 auf ganze Generationen – auf Mode, Architektur und die Idealisierung einer posthellenistischen Polis – gestreift.

Die Rolle der Schlachtendarstellung und deren eher fiktive als faktische, meist genrehafte
„Ereignismalerei“ vom 16. bis ins 21. Jahrhundert wird ebenso thematisiert wie die literarische, intermediale Bearbeitung von Holocaust, Zweitem Weltkrieg oder den Kriegen im Libanon und Afghanistan. Dabei stellt sich die Frage nach Faktizität und Authentizität der Fotografie sowie den ästhetischen und ideologischen Anforderungen, die im 19. Jahrhundert an das neue Medium der Wirklichkeitsdarstellung herangetragen wurden. Schließlich mündet die Hansengalerie im Inferno des Boschraums mit seinen Darstellungen des Jüngsten Gerichts, Dantes Göttlicher Komödie und dem Herz der Finsternis von Joseph Conrad.

Danica Dakić, LA GRANDE GALERIE 2, 2004 © VG Bild-Kunst, Bonn

Es gilt, das Geschichtsverständnis in Repräsentationsbildnissen und deren Gegenbildern zu be- und hinterfragen und gleichzeitig zu analysieren, wie bestimmte Ursprungsmythen und entscheidende historische Ereignisse immer auch Interpretationen unterliegen, die von der Zeit bestimmt sind, in der sie „revisited“ werden. History Tales erzählt von diesen Revisionsbewegungen in der Interpretation von „Historienbildern“, durch die Bilder der Vergangenheit zu verklausulierten Kommentaren der Gegenwart werden können

Ana Torfs, Révolution, 2003 © Ana Torfs

Künstler_innen / Schriftsteller_innen / Filmemacher_innen / Forscher_innen, Illustrator_innen
(Auswahl):
Josef Abel, Lawrence Alma-Tadema, Jan Asselijn, Hieronymus Bosch, Sébastien Bourdon, Jacques Callot, Antonio Calza, Wilhelm Camphausen, Daniel Chodowiecki, Hendrick van Cleve, Jacques Courtois, Lucas Cranach d. Ä., Henri Durand-Brager, Eduard von Engerth, Jean-Honoré Fragonard, Heinrich Friedrich Füger, Peter Johann Nepomuk Geiger, Luca Giordano, Pietro Graziani, Jakob Philipp Hackert, Sir William Hamilton, Theophil von Hansen, Karel du Jardin, Joseph Anton Koch, Johann Peter Krafft, Johann Baptist von Lampi d. Ä., Filippo Lauri, Charles-Nicolas Lemercier, Herman van Lin, Philippe Jacques de Loutherbourg, Nicolaes Maes, Hans Makart, Édouard Manet, Hubert Maurer, Adolph Menzel, Martin von Molitor, Petros Moraites, Felix Alexander Oppenheim, Max Raphael, Johann Elias Ridinger, Hubert Robert, Salvator Rosa, Peter Paul Rubens, Johann Martin Schmidt gen. Kremser Schmidt, Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld, Johann Nepomuk Schödlberger, Moritz von Schwind, Francesco Solimena, Theodoor van Thulden, Giovanni Battista
Tiepolo, Tiziano Vecellio gen. Tizian, Paul Troger, Charles André Vanloo, Paolo Veronese, Jacques Antoine Volaire, Johann Wittmer, Philips Wouwerman, Michael Wutky

Gipsabgüsse nach antiken und klassizistischen Vorbildern, historische Fotografien und Pressegrafik

Zeitgenössische Positionen u.a. von Eleanor Antin, John Berger, Hannes Boeck, Marcel Broodthaers, Anne Carson, Danica Dakić, Harun Farocki, Omer Fast, Ulrike Grossarth, John Murphy, W. G. Sebald, Ana Torfs, Akram Zaatari

Lucas Cranach d. Ä., Lucretia, 1532 © Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien

Lektionen / Lessons Die Vortragsreihe zur Ausstellung
Vortrag von Bernd Stiegler
Geschichtsklitterung. Eine kleine Geschichte der politischen Fotomontage von 1870 bis 1945
Mittwoch, 27. September 2023, 18 Uhr


Kuratorinnenführung Sabine Folie zur Ausstellung

Am 15.November 2023 und 14. März 2024, jeweils 16 Uhr
Publikation zur Ausstellung Zur Ausstellung erscheint eine Publikation mit Texten von Maha El Hissy, Sabine Folie, Eva Kernbauer, Claudia Koch, Alexander Roob, René Schober, Bernd Stiegler, Susanne Watzenboeck u. a., die im Jänner 2024 präsentiert wird. Vorbestellungen: kunstsammlungen@akbild.ac.at

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