Hintergrund
2012 haben jihadistische Gruppen die Macht in Nordmali übernommen. Auch in Timbuktu herrschte Terror. Wer konnte, floh in benachbarte Länder oder in den Süden Malis, so wie der Bibliothekar Abdelkader Haidara. Dem Leiter der „Mamma Haidara“-Bibliothek und zahlreichen Helfer_innen gelang es, knapp 300.000 Manuskripte aus Timbuktu zu schmuggeln. Verpackt in Blechkisten, wurden sie mit Booten, Lastwagen und Autos nach Bamako, der rund 1.000 Kilometer entfernten Hauptstadt Malis, transportiert. Islamisten hätten diese wertvollen Dokumente, wie zahlreiche antike Grabstätten, wahrscheinlich zerstört.
Die Stadt Timbuktu war im Mittelalter ein geistiges Zentrum der islamischen Wissenschaft und Kultur. Bereits im 12. Jahrhundert war Timbuktu an der nördlichen Biegung des Flusses Niger eine wichtige Handelsstadt. Ab dem fünfzehnten Jahrhundert wurde Timbuktu auch intellektuelles Zentrum der islamischen Kultur und Wissenschaft. Gelehrt_innen aus anderen Regionen zogen in die Wüstenstadt und brachten ihre eigenen Bibliotheken mit.
Die historischen Handschriften sind von unermesslichem Wert und gehören seit 1988 zum UNESCO Weltkulturerbe. Sie beinhalten neben Koran-Auslegungen Texte über Staatsführung und Menschenrechte, über Astronomie, Medizin und Umwelt, Familienrecht, Wissenschaft und Kunst. In Bamako soll ein Archivgebäude entstehen, um die Manuskripte fachgerecht unterzubringen, zu katalogisieren und zu digitalisieren. Doch viele müssen zunächst restauriert werden. Mit der Digitalisierung wollen die Initiator_innen die historischen Dokumente auch der internationalen Forschungsgemeinschaft zugänglich machen. Unterstützt wird diese Arbeit vom deutschen Auswärtigen Amt, der Universität Hamburg und der Gerda Henkel Stiftung.
Podium
Abdel Kader Haïdara
ist Direktor der Bibliothek „Mamma Haidara“ in Timbuktu, einer der größten privaten Manuskriptsammlungen in Mali, und Vorsitzender eines Vereines zur Sicherung und Restaurierung von Manuskripten (Savama). Er war Initiator der geheimen Evakuierung der Manuskripte von Timbuktu nach Bamako zur Zeit der Besetzung Nordmalis durch Jihadisten. Haïdara organisierte mehrere Ausstellungen in Mali, den USA und einigen europäischen Ländern.
Dmitry Bondarev
ist Professor am Institut für Studien von Manuskriptkulturen der Universität Hamburg und leitet dort das Westafrika Forschungsprojekt. Seine Forschungsinteressen umfassen afrikanische Linguistik, insbesondere tschadische und Mande Sprachen, sowie arabisch-sprachige und islamische Handschriften in Westafrika. Er leitet das von der Gerda Henkel Stiftung und von Deutschen Auswärtigen Amt geförderte Projekt „Sicherung der Manuskripte von Timbuktu“.
Eva Brozowsky
ist Diplomrestauratorin und arbeitet an der Universität Hamburg im Sonderforschungsbereich „Manuskriptkulturen Asien, Afrika und Europa“. Sie ist Spezialistin zur Restaurierung von Papier. Im Rahmen des Projektes zur Rettung der Manuskripte von Timbuktu leitete Frau Brozowsky mehrere Seminare zur Restaurierung und Konservierung der Manuskripte in Mali und ist beim Aufbau von klimatisierten Bibliotheksräumen im Bamako engagiert.
Eva Nowotny
ist die Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission. Zuvor war sie mehrere Jahrzehnte im diplomatischen Dienst tätig. Sie österreichische Botschafterin in Frankreich, Großbritannien und zuletzt den USA. Von 1983-1992 war sie außenpolitische Beraterin im Büro des Bundeskanzlers, 1999 übernahm sie die Leitung der Sektion für Europäische Integration und wirtschaftliche Angelegenheiten des Außenministeriums.