La Biennale di Venezia 59th International Art Exhibition
Deutscher Pavillon 2022
DEUTSCHEN PAVILLON 2022
La Biennale di Venezia 59th International Art Exhibition
MARIA EICHHORN
Kurator: Yilmaz Dziewior
Opening: Eröffnung: Freitag, 22. April 2022
Es sprechen:
Katja Keul, Staatsministerin im Auswärtigen Amt
Ulrich Raulff, Präsident des ifa – Institut für Auslandsbeziehungen
Yilmaz Dziewior, Kurator des Deutschen Pavillons 2022
Ausstellung: 23. April – 27. November 2022
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag, 10–18 Uhr
Deutscher Pavillon, Giardini della Biennale
https://www.deutscher-pavillon.org/de/
https://www.deutscher-pavillon.org/de/ausstellung/
MARIA EICHHORN
Mit der 1962 in Bamberg geborenen und in Berlin lebenden Künstlerin wählte der Kurator Yilmaz Dziewior eine international viel beachtete Position aus, die für ihre konzeptuelle
Vorgehensweise ebenso bekannt ist wie für ihren feinsinnigen Humor. Mit visuell minimalen Gesten, räumlichen Eingriffen und prozessual angelegten Werken analysiert Maria Eichhorn nachhaltig institutionelle Machtstrukturen sowie politische und ökonomische Zusammenhänge.
Große Aufmerksamkeit erlangte Maria Eichhorn bereits 2002 für ihre Arbeit Maria Eichhorn Aktiengesellschaft, die für die Documenta11 in Kassel entstand. Sie gründete eine Aktiengesellschaft, deren besonderer Status vorsah, dass ihr Kapital nicht vermehrt werden darf. Durch die Präsentation von Gründungsdokumenten sowie der Einlage von 50.000 Euro, die sie in einem akkuraten Bündel von hundert nagelneuen 500-Euro-Scheinen in einer Wandvitrine platzierte, entwarf Maria Eichhorn einen ästhetisch eindrücklichen Kommentar zum Verhältnis von Kunst und Ökonomie.
Internationale Beachtung erfuhr auch das 2017 anlässlich der documenta 14 von ihr gegründete Rose Valland Institut. Das seitdem in Kooperation mit verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen aktiv fortlaufende Projekt erforscht und dokumentiert die Enteignung der jüdischen Bevölkerung Europas. Ähnlich wie in ihren früheren Projekten – etwa Restitutionspolitik / Politics of Restitution (2003) und In den Zelten … (2015) – thematisiert Maria Eichhorn mit dem Rose Valland Institut ungeklärte Eigentums- und Besitzverhältnisse von 1933 bis heute und die bis in die Gegenwart nachwirkenden Folgen des Nationalsozialismus.

2002, Detail, Ausstellungsansicht, Documenta11,
Fridericianum, Kassel, © Maria Eichhorn / VG BildKunst, Bonn 2021, Foto: Werner Maschmann
Maria Eichhorn ist genau die Künstlerin, die ich schon immer im Deutschen Pavillon
auf der Biennale in Venedig sehen wollte. Denn meiner Meinung nach gibt es nur
wenige künstlerische Positionen, die sich ähnlich vielfältig und intensiv mit der
deutschen Geschichte und deren Auswirkungen auf die Gegenwart beschäftigen
wie Maria Eichhorn.
– Yilmaz Dziewior
Die künstlerischen Projekte von Maria Eichhorn sind zumeist prozessual angelegt und zielen
auf eine Durchleuchtung und Transformation bestehender gesellschaftlicher Ordnungen.
Oftmals stellt sie dabei die Eigentumsfrage. Anlässlich der Skulptur. Projekte in Münster
1997 setzte sich Maria Eichhorn mit Grundbesitzverhältnissen auseinander und erwarb
ein Grundstück im Stadtzentrum. Beim Wiederverkauf der Liegenschaft übergab sie den
Erlös einem Verein, der gegen Gentrifizierung kämpft. Anlässlich der Documenta11 in Kassel
gründete sie die Maria Eichhorn Aktiengesellschaft (2002), deren Grundkapital dem Geldkreislauf entzogen und deren Aktien an die Gesellschaft selbst übertragen wurden.
Mit der Ausstellung Restitutionspolitik / Politics of Restitution (2003) im Lenbachhaus in München
begann sie ihre Recherche zu Kunstwerken, die in der NS-Zeit aus jüdischem Besitz entwendet wurden – ein Thema, das sie in weiteren Projekten fortführte. Unter dem Titel In den
Zelten 4 / 5 / 5a / 6 / 7 / 8 / 9 / 9a / 10, Kronprinzenufer 29 / 30, Beethovenstraße 1 / 2 / 3 (1832
bis 1959) > John-Foster-Dulles-Allee 10 (seit 1959), Berlin (2015) ermittelte sie anlässlich der
Ausstellung Wohnungsfrage im Haus der Kulturen der Welt in Berlin die Eigentumsverhältnisse des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet worden war. Ihre Arbeit, bestehend
unter anderem aus Bodenzeichnungen, Grundbuchauszügen und weiterführenden Texten,
legt offen, dass die Kongresshalle (später Haus der Kulturen der Welt) teilweise auf enteignetem Land gebaut wurde, das hätte restituiert werden müssen. Anlässlich der documenta
14 erwarb sie mit Building as Unowned Property (2017–) eine Immobilie in Athen, um sie in
Nichteigentum zu überführen, und gründete in Kassel das Rose Valland Institut (2017–) zur
Erforschung der Enteignung der jüdischen Bevölkerung Europas und deren Nachwirkungen bis in die Gegenwart.

Detail: Unrechtmäßig aus jüdischem Eigentum
erworbene Bücher, Ausstellungsansicht,
documenta 14, Neue Galerie, Kassel,
© Maria Eichhorn / VG Bil
Mit dem Verhältnis zwischen Eigentum und Besitz beschäftigt sich Maria Eichhorn ebenso intensiv wie mit jenem zwischen Arbeit, Wert und Zeit. Ihre Ausstellung 5 weeks, 25 days, 175 hours (2016) in der Chisenhale Gallery in London bestand darin, allen Mitarbeiter*innen eine Auszeit von ihrer Arbeit zu geben. Über die gesamte Laufzeit der Ausstellung blieb die Institution geschlossen. Im gleichen Jahr ließ sich Maria Eichhorn von der
Stadt Köln als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Museum Ludwig anstellen und thematisierte unter dem Titel Arbeitsvertrag zwischen der Stadt Köln, vertreten durch die Oberbürgermeisterin, und Frau Maria Eichhorn (2016) die Frage nach dem gesellschaftlichen Stellenwert künstlerischer Arbeit.
Maria Eichhorn wurde 1962 in Bamberg geboren und lebt in Berlin. Sie studierte zwischen 1984 und 1990 an der Hochschule der Künste Berlin bei Karl Horst Hödicke.
Seit 1999 lehrt sie als Professorin, zunächst als Gastprofessorin am California Institute of the Arts in Valencia, seit 2003 an der Zürcher Hochschule der Künste.
Neben ihren documenta-Teilnahmen 2002 in Kassel und 2017 in Athen und Kassel nahm
Maria Eichhorn mehrmals an der Biennale di Venezia (2015, 2001, 1993), zahlreichen weiteren internationalen Biennalen wie etwa in Guangzhou (2008), Berlin (2008, 2004), Sevilla (2006), Istanbul (2005, 1995), Łódź (2004), Yokohama (2001) sowie an Skulptur. Projekte in Münster 1997 teil. Seit 1986 stellt sie in namhaften Institutionen aus. 2018 bis 2019 war eine
umfangreiche Werkschau im Migros Museum für Gegenwartskunst in Zürich unter demTitel Zwölf Arbeiten / Twelve Works (1988–2018) zu sehen.

B. D. U. D. U. B. D. S. / Löwe im leeren Raum, 1990,
Ausstellungsansicht, So oder so, Künstlerhaus
Bethanien, Berlin, © Maria Eichhorn / VG Bild-Kunst,
Bonn 2021, Foto: Werner Zellien
Maria Eichhorn wurde unter anderem mit dem George-Maciunas-Preis (1992), dem
Arnold-Bode-Preis der Stadt Kassel (2002) und dem Premio Paolo Bozzi per l’Ontologia der
Universität Turin (2018) ausgezeichnet. Von 2018 bis 2020 war sie Georg-Simmel-Stipendiatin und Fellow am Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“ der Universität Bonn, wo
– in Kooperation mit dem Kunsthistorischen Institut – auch ihr Rose Valland Institut untergebracht war. Seit 2020 ist Maria Eichhorn Forschungsstipendiatin des Berliner Förderprogramms Künstlerische Forschung. 2021 erhält sie den Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste in Berlin.
Kurator: Yilmaz Dziewior
Yilmaz Dziewior, geboren 1964 in Bonn, lebt in Köln.
Er studierte in Bonn und London Kunstgeschichte und promovierte 2005 an der
Humboldt-Universität zu Berlin über den Architekten Ludwig Mies van der Rohe.
Seit Februar 2015 ist Yilmaz Dziewior Direktor des Museum Ludwig in Köln, für das er
bereits von 1996 bis 1999 tätig war. Von 2009 bis 2015 leitete er das Kunsthaus Bregenz
(KUB). Für die 56. Biennale Arte in Venedig 2015 kuratierte er als Kommissär den Beitrag
von Heimo Zobernig im Österreichischen Pavillon. Vor seiner Tätigkeit in Bregenz war
Dziewior acht Jahre Direktor des Kunstvereins in Hamburg und lehrte parallel als Professor
für Kunsttheorie an der dortigen Hochschule für bildende Künste. Seine Texte erschienen
regelmäßig in artforum (New York), Camera Austria (Graz) und Texte zur Kunst (Berlin).
Er hat über 60 Bücher und Kataloge zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts herausgegeben
und für Institutionen wie das Stedelijk Museum in Amsterdam, die Hamburger Kunsthalle,
die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf und das Museum of Contemporary
Art in Los Angeles Katalogbeiträge verfasst.
Yilmaz Dziewiors kuratorische Arbeit zeichnet sich durch ein dezidiertes Interesse an
gesellschaftlichen Fragestellungen aus, wobei besonders seine Beschäftigung mit identitätspolitischen und kulturellen Zuschreibungen hervorzuheben ist. Er verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, der vor allem bei Ausstellungen und Projekten an den Schnittstellen
mit Architektur (u. a. mit Arno Brandlhuber, raumlabor Berlin, Kuehn Malvezzi, Eckhard
Schulze-Fielitz) sowie Theater und Tanz (u. a. mit She She Pop, Yvonne Rainer) sichtbar
wird. Eine Grundprämisse seiner Vorgehensweise ist die Analyse des jeweiligen Kontextes,
die sowohl in den von ihm initiierten experimentellen Ausstellungsreihen HIER UND JETZT
im Museum Ludwig in Köln, der KUB Arena in Bregenz als auch Insert für den Kunstverein in
Hamburg zum Ausdruck kommt
In den letzten 20 Jahren hat Yilmaz Dziewior unter anderem mit Yael Bartana,
Cosima von Bonin, Maria Eichhorn, VALIE EXPORT, Harun Farocki, Andrea Fraser,
Wade Guyton, Barbara Kruger, Gabriel Orozco, Ed Ruscha, Pascale Marthine Tayou,
Rosemarie Trockel, Danh Võ und Haegue Yang an großen Einzelausstellungen zusammengearbeitet.
Zu seinen Gruppenausstellungen zählen Formalismus. Moderne Kunst, heute,
This Place is My Place – Begehrte Orte, Wessen Geschichte, So machen wir es.
Techniken und Ästhetik der Aneignung, Liebe ist kälter als das Kapital und Wir nennen es Ludwig.
Das Museum wird 40!.
Seit August 2019 ist Yilmaz Dziewior Mitglied der Jury der Kulturakademie Tarabya.
Haus der Waffenlosigkeit / Bundesrepublik Deutschland
Haus der Waffenlosigkeit / Bundesrepublik Deutschland (House of Weaponlessness / Federal Republic of Germany) – this was written on the outside wall of the German Pavilion in 1988.
The artist Felix Droese introduced the visitors of the 43rd Biennale Arte to his exhibition with these powerful words that today feel more actual than ever. In the absence of weapons,
he saw the force of nature, interconnecting it with art and civilization.
“Weaponlessness is purposeless power“, Droese declared in the catalogue of the German Pavilion 1988. “Weaponlessness is the inherent power of nature”. Known for his papercut art, he recycled leftover papers to create collages that remind of a world between humans, animals, and objects, projected to the pavilion’s walls. This was just when the 200 year anniversary of the French Revolution was about to take place, and one year before the fall of the Berlin wall, at the end of the Cold War.
Just a few days ago and 35 years later, German chancellor Olaf Scholz declared to ramp up the country’s defense spending by a special fund of 100 billion Euro in the light of the war in Ukraine and yesterday, the German government approved a shipment of 2,700 Soviet-era, shoulder-fired Strela missiles to Ukraine. This is what has become of the idea of a “House of Weaponlessness” in 2022.
Kaum ein Ausstellungszusammenhang ist ähnlich aufgeladen und mit Bedeutungen belegt wie die Länderbeiträge einer Biennale. Nationale Repräsentation und kulturelle Zuschreibungen – die Gefahren jedes Länderpavillons – sind nicht selten mit Konflikten verbunden. Dies gilt in ganz besonderem Maße für den Deutschen Pavillon in Venedig.
Die ersten deutschen Beiträge der 1895 als Verkaufsausstellung gegründeten Biennale di Venezia fanden noch in den internationalen und deutschen Sälen im Hauptausstellungsgebäude der Giardini statt. Seit 1909 diente der Bayerische Pavillon, der 1912 in den Deutschen Pavillon umbenannt wurde, als Ort der Repräsentation. Dieser wurde 1938 zur faschistischen Herrschaftsarchitektur umgebaut. Auch wenn der nationalsozialistische Reichsadler über dem Eingangsportal nach dem Krieg entfernt wurde und 1984 an den Seitenflügeln die Schriftzüge „Bundesrepublik Deutschland“ und „Repubblica Federale di Germania“ in Abgrenzung zu der seit 1982 teilnehmenden Deutschen Demokratischen Republik (DDR) angebracht wurden, repräsentiert die Architektur des Deutschen Pavillons bis heute ungebrochen eine faschistische Formensprache.
Deshalb verwundert es nicht, dass die in der Vergangenheit eingeladenen künstlerischen Positionen immer wieder gegen diese Architektur und den Geist, den sie ausstrahlt, vorgingen. Hans Haacke stemmte beispielsweise den Travertinboden des Pavillons auf, so dass die brachial gesplitterten Steinplatten an Das Eismeer von Caspar David Friedrich erinnerten. Anne Imhof verbaute die Architektur mit transparenten Wänden und einem Glaspodest, das den Eintretenden schier den Boden unter den Füßen entzog. Und Natascha Sadr Haghighian positionierte unter dem Pseudonym Natascha Süder Happelmann im Hauptraum eine riesige Wand, die gleichermaßen an die Mauer eines Stausees wie auch an die sogenannte „Festung Europa“ gemahnte.
Das in vielen Beiträgen wahrzunehmende allgemeine Unbehagen ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert und die von Deutschen verübten Gräueltaten an der jüdischen Bevölkerung und all jenen, die nicht der Ideologie des Naziregimes entsprachen. Wie positioniert sich ein Land mit dieser Vergangenheit im Kontext aktueller globaler Krisen? Welche Möglichkeiten hat die Kunst vor diesem Hintergrund? Und wie gelingt es ihr, sich diesen Fragen zu stellen und gleichzeitig eine eigene Haltung und Bildsprache zu entwickeln?
In diesem Sinne fokussiert der Deutsche Pavillon auf der Biennale Arte 2022 Aspekte politischer und kultureller Repräsentation sowie der gesellschaftlichen Bedeutung künstlerischer Produktion, die in unserer heutigen herausfordernden Zeit von besonderer Aktualität sind.
Yilmaz Dziewior
Köln im Januar 2021
@yilmaz.dziewior

EVENT LOG:
If you want to announce your event in EstherArtNewsletter please fill out the form.