MarkusProschek

kunstrauminnsbruck

Kunstraum-Innsbruck
MARKUS PROSCHEK
POSSESSION
Eröffnung :
Freitag, 21. April 2017 | 19 Uhr
Ausstellung: 22.04. – 23.06.2017
Maria-Theresien-Straße 34/ Arkadenhof
6020 Innsbruck

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Abb. Markus Proschek, “shock and awe”, PLA, galvanisch verkupfert, vernickelt, Höhe 30,5 cm, 2017. Foto: Tim Dammermann/Markus Proschek

„Besonders wichtig ist es, jede Unterhaltung mit dem Dämon zu vermeiden. Wir dürfen die nötigen Fragen stellen, aber alles darüber hinaus ist gefährlich. Er ist ein Lügner. Der Dämon ist ein Lügner, er wird lügen, um uns zu verwirren! Er wird Lügen mit der Wahrheit vermischen, um uns anzugreifen. Der Angriff ist psychologischer Natur (…) und machtvoll. Also hören Sie nicht auf ihn. Merken Sie sich das: Nicht hinhören!
The Exorcist/ Der Exorzist, 1973

Der Titel der Ausstellung Possession des in Berlin lebenden Salzburger Künstlers Markus Proschek (*1981) greift nicht im Sinne seiner direkten Übersetzung das deutsche Wort Besitz auf, sondern bezieht sich auf die Besessenheit von einer dämonischen Macht und die Gefahr, dieser permanent ausgesetzt zu sein. So leitet auch das Eingangszitat aus dem Film The Exorcist in das Thema der Ausstellung ein, um die Konstruktion des Dämonischen und des Bösen als Metapher für Exorzismus und Ikonoklasmus – jener Form der kriegerisch motivierten Bildzerstörung – bzw. Exorzismus als politische Metapher und dessen Konstruktion von Feindbildern zu untersuchen.

Mit der zentralen, schwarzen Fliesenwand, seinen Malereien, dem am Boden aufgemalten Pentagramm und den reproduzierten antiken Plastiken zitiert Proschek einen dämonischen wie auch okkulten bzw. satanistisch inszenierten Raum. In Sinne des Dämonischen und seiner Realitätskonstruktion als propagandistische Stimme werden die Beteiligten am Nahost-Konflikt seitens des Westens seit jeher zur Achse des Bösen stilisiert und werden Bilder produziert, die dies scheinbar begründen und beweisen. Die in der Nachkriegszeit liegenden Wurzeln des Konflikts reichen bis in die jüngste Gegenwart hinein, z. B. die Stellvertreterkriege des Kalten Kriegs in Afghanistan oder die israelisch-arabische Feindschaft. So zitiert die Ausstellung die jüngsten politischen Aggressoren im arabischen Raum, den Aufstieg des militanten Islamismus durch den sogenannten Islamischen Staat im Besonderen. Die Arbeitsweise von Markus Proschek ist getragen von einem dichten Referenzsystem politischer, historischer und gegenwärtiger Analysen, wie das Böse stilisiert, dämonisiert und für jegliche Propaganda instrumentalisiert wird. Hierzu verknüpft er in seiner als Ganzes zu verstehenden Rauminstallation einzelne Bildzitate zu einer vielschichtigen Argumentationskette.   Jenen Schlagabtausch zwischen Realität und Fiktion als Modus politischer Argumentation in seinen gegenwärtigen und historischen Bedingungen untersucht Proschek mit seinem komplex recherchierten Bilderkatalog, den er auf exemplarische Bildwerke reduziert. So zeigt er am Beispiel der eskalierten Konflikte im Nahen und Mittleren Osten und der resultierenden terroristischen Bedrohung die Rhetorik der politischen Dämonisierung, der Konstruktion ihrer Feindbilder innerhalb eines Orientalismus der negativen Besetzung und die Zerstörung von Bildwerken als Visualisierung eines gewalttätigen Exorzismus von (Bild-)Regimen und somit deren symbolische Auslöschung. Was bleibt, ist die Leerstelle, das Fragment als Zeuge von Vernichtetem und das Unbehagen darüber, welche symbolische Ordnung diese Leere als Nächstes besetzen wird.

Den Bildern wird damit in einem beschwörenden Gestus das Böse eingeschrieben und in der Schuldzuschreibung einem Exorzismus vergleichbar das Böse wieder ausgetrieben. Somit wird die durch Fiktion überschriebene Realität oft zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, die widersinnigerweise auch oft ihren Ursprung in Bildern der Populärkultur hat. Hierzu stellt Proschek zwei Filmzitate zum Beginn der Ausstellungsauseinandersetzung in den Vordergrund. Zum einen The Exorcist (dt. Der Exorzist, einen amerikanischen Horrorfilm-Klassiker von William Peter Blatty aus den Jahr 1973, und James Camerons Actionkomödie True Lies (dt. Wahre Lügen) mit Arnold Schwarzenegger aus dem Jahr 1994. Noch bevor die Handlung beginnt, wird mit der Schwarzblende auf den in roten Buchstaben geschriebenen Filmtitel Der Exorzist der Gesang des Muezzins eingespielt und damit ein verheißungsvoller Hinweis auf das zu erwartende Grauen gegeben. Die Eingangssequenz des Films zeigt, wie der Jesuitenpater Lankester Merrin auf einer nordirakischen Ausgrabungsstätte die DämonenfigurPazuzu findet, woraus sich alles spätere Übel zu entwickeln scheint. So erscheint ihm der DämonPazuzu auch während des Exorzismus, kurz bevor er an den Anstrengungen verstirbt. In True Lies werden russische Atomraketensprengköpfe in vier Lamassu-Statuen auf Geheiß einer islamisch radikalen Gruppe von einer persischen Antikenhändlerin in die USA eingeführt, um bezüglich der Truppenoffensive der USA im Irak ein Exempel zu statuieren. Die Figuren werden demonstrativ zerschlagen, um die Sprengkörper freizulegen, ein Bild, das unwillkürlich an die medienwirksame Zerstörung der Kulturgüter durch den IS erinnert. Unser kulturelles Erbe spiegelt nicht nur die Entwicklung der Menschheit und deren Zivilisationsgeschichte wider, sondern die bewusste und medienwirksame Zerstörung jener Denkmäler, Kunstwerke und Bücher ist zum strategischen Bestandteil gegenwärtiger Kriegsführung geworden bzw. sind sie durch die ideologische Aneignung und Zerstörung durch politische Machthaber permanenter Gefahr ausgesetzt. Islamistische Kämpfer haben der Antike den Krieg erklärt. Ohne dass die Filmzitate in der Ausstellung gegenwärtig sind, zeigt Proschek, wie konstruierte fiktive Feindbilder Realität werden bzw. von den Aggressoren übernommen werden.
Seit jeher wurde dem libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi seitens des Westens die Rolle des Bösewichts zugeschrieben, die er in seiner Politik, seinem Auftreten und seinem Handeln beflissen übernommen hat, wie u. a. der BBC-Journalist Adam Curtis in seiner zweistündigen Dokumentation Bitter Lakeeindrücklich dokumentierte. So verwendet Proschek in einer Leinwandarbeit bewusst das Dekor des Familienzelts von Gaddafi, der zum Beleg seiner fremdländischen und nomadischen Herkunft auf jeglichen Auslandsreisen stets in seinem mitgebrachten Nomadenzelt übernachtete. Im Bild selbst stellt der Künstler jenes Muster neben die Marmorwand, die immerzu hinter den Hauptrednern der UN zu sehen ist und damit stiller Zeitzeuge dieses über Jahrzehnte anhaltenden Konflikts ist.

Proschek verwendet auch antike Verweise eines durch Ikonoklasmus intendierten Trophäen-Kults. So findet sich in der Ausstellung auf der zentralen schwarzen Fliesenwand die Replik einer Porträtbüste eines akkadischen Führers, dessen rechtes Auge von seinen Gegenspielern im kultischen Sinne als Machtdemonstration ausgestochen wurde. Damit wurde dem toten Objekt in magischer Weise Leben eingeschrieben, das der Aggressor durch dessen Zerstörung sprichwörtlich auszulöschen imstande ist. In der Ausstellung ist eine weitere Replik eines mesopotamisch anmutenden Kultobjekts zu sehen. Das antike Mesopotamien, jene Kulturlandschaft in Vorderasien, die zwischen Euphrat und Tigris gelegen auch als Zweistromland bezeichnet wird, erstreckte sich über das Gebiet der heutigen Länder Iran, Irak, Syrien und Afghanistan. Zwar ist die Skulptur heute im Sammlungsbestand der Berliner Museen, aber sie ist in ihrer Entstehung, ihrem Zweck und ihrer Herkunft nicht geklärt bzw. selbst ihre Echtheit ist nicht bewiesen. Die ca. 30 Zentimeter hohe und schlanke Figur zeigt drei Schlangen, die einen Menschen umwickeln und zerteilen.   Mit diesem Hinweis thematisert Proschek nicht nur die Aneignung von Bildern zur Machtdemonstration und zur Propaganda, sondern auch die Fragestellung, wer im historischen und gegenwärtigen Sinne Kulturgeschichte definiert. In der Ausstellung ist eine querformatige Leinwand mit einem Fliesenportal zu sehen, das sich heute in der Berliner U-Bahnstation Klosterstraße befindet, die unterhalb des Unternehmens zu finden war, das maßgeblich die archäologische Ausgrabung und Rekonstruktion des weltbekannten babylonischen Ischtators finanziert hat, welches jetzt eine der Hauptattraktionen des Berliner Pergamonmuseums ist. Somit war die archäologische Bergung und Außer-Landes-Bringung des Tors schon ein einschneidender Akt gegenüber den Vertretern der angestammten Kultur, jedoch mit dem Kontext der gegenwärtigen Zerstörung von Kulturgütern durch den IS ein rettender Akt.

In diesem Sinne ist allen weiteren Leinwandwerken der Ausstellung eines gemeinsam, nämlich dass sie die Technik des Ikonoklasmus darstellen, da jeweils das Hauptmotiv fehlt, z. B. das heruntergerissene Plakat von Saddam Hussein oder die leeren Vitrinen des Museums in Mosul, das von den Zerstörungen durch den IS betroffen war. Damit wird der Wesenszug des Exorzismus, eine unbekannte böse Macht auszutreiben, mit dem Bildkonzept der Zerstörung in Beziehung gesetzt, da jene zu zerstörenden Bilder und Gegenstände mit dem Geist des Feinds aufgeladen werden und das Objekt als Referenz für die zu verteufelnde böse Macht sprichwörtlich getötet wird.

Karin Pernegger

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Kunstraum-Innsbruck
MARKUS PROSCHEK
POSSESSION
KÜNSTLERGESPRÄCH MARKUS PROSCHEK
MIT HEMMA SCHMUTZ, DIREKTORIN DES LENTOS KUNSTMUSEUM LINZ
UND KARIN PERNEGGER
21. Juni 2017 | 19 Uhr
Ausstellung: 22.04. – 23.06.2017
Maria-Theresien-Straße 34/ Arkadenhof
6020 Innsbruck
“Especially important is the warning to avoid conversations with the demon. We may ask what is relevant but anything beyond that is dangerous. He is a liar. The demon is a liar. He will lie to confuse us. But he will also mix lies with the truth to attack us. The attack is psychological,……, and powerful. So don’t listen to him. Remember that – do not listen.“
The Exorcist, 1973

Der Titel der Ausstellung Possession des in Berlin lebenden Künstlers Markus Proschek (1981) bezieht sich auf das Motiv der Besessenheit von einer dämonischen Macht und der Gefahr dieser permanent ausgesetzt zu sein. Die Arbeitsweise von Markus Proschek ist getragen von einem dichten Referenzsystem politischer, historischer und gegenwärtiger Analysen. Hierzu verknüpft er in seiner als Ganzes zu verstehenden Rauminstallation einzelne Bildzitate zu einer vielschichtigen Argumentationskette. Jenen Schlagabtausch zwischen Realität und Fiktion als Modus politischer Argumentation in seinen gegenwärtigen und historischen Bedingungen untersucht Proschek mit seinem komplex recherchierten Bilderkatalog, den er auf exemplarische Bildwerke reduziert.

So zeigt am Beispiel der eskalierten Konflikte im Nahen- und Mittleren Osten und der resultierenden terroristischen Bedrohung die Rhetorik der politischen Dämonisierung, der Konstruktion ihrer Feindbilder innerhalb eines Orientalismus der negativen Besetzung, und die Zerstörung von Bildwerken als Visualisierung eines gewalttätigen Exorzismus von (Bild-) Regimen, und somit deren symbolische Auslöschung. Was bleibt ist die Leerstelle, das Fragment als Zeuge von Vernichtetem und das Unbehagen darüber, welche symbolische Ordnung diese Leere als nächstes besetzen wird.

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