

Alex Kiessling (* 1980, AT)
Kern der Ausstellung ist eine Serie bisher ungezeigter, großformatiger Portraits, in denen die Flüchtigkeit zwischenmenschlicher Begegnungen thematisiert wird. In den Arbeiten bricht Kiessling die klassische Portrait-Tradition durch sichtverhindernde Verschiebungen („Shifts“) auf, wodurch der ursprüngliche Zweck der Portraits zerrüttet wird: der tradierte Topos wird stattdessen zum Darstellungsvehikel zeitgenössisch-digitaler Bildsprachlichkeiten, und verbindet etwa Aspekte der Rotoskopie und des Datamoshings.
Die Arbeiten weisen einen hohen Grad handwerklicher Perfektion auf, die sich durch Kiesslings Interesse an digitalen Bildmodulierungen stetig von einer klassischeren Portraitkunst entfernen, bzw. diese nachhaltig in Frage stellen und erweitern. Wo Portraitkunst die Illusion von Permanenz zelebriert, wird in den gezeigten Arbeiten vor allem die Flüchtigkeit zeitgenössischer Abbildungssysteme thematisiert.
Mit der jetzigen Shifts-Serie entfernt sich Kiessling von den hyperrealen Portraits der „augmented reality“ – Serie, die das Traumatische im Alltag fokussierte (hierzu wurden Posen der Portraitmalerei mit erratisch-scheinenden Leinwandinhalten verbunden, und durch Blickwinkel zwielichtiger Farbstimmungen verstärkt). Auf gewisse Weise scheinen die heutigen Arbeiten härter, strenger, unerbittlicher: den Hintergründen entledigt, sind es nur mehr die Personen, die wirken können – die visuellen Dopplungen jedoch verhindern jegliche Abbildungsklarheit, und dadurch ein tatsächliches Wirken der Dargestellten. Die Personen geraten in das Fahrwasser der Un-Sichtbarkeit: gesehen werden kann vor allem der Effekt.
Übrig bleibt Unbehagen (über die Oberfläche, das Abbild, über Gesellschaft und Kultur), welches weiterhin als Kiesslings Grundstimmung verstanden werden könnte.
Text: Christian Bazant-Hegemark
